Die Razejunge, ein Pferdegespann und dampfender Mist

Tradition in der Lehmener Würzlay

„Im Wingert wird mit Stallmist gedüngt“

Lehmen. Im Hof von Bauer Friedel Weckbecker wartete das Pferdegespann neben dem dampfenden Misthaufen. Und dort hatten sich die Lehmer Razejunge versammelt https://puttygen.in , „bewaffneten“ sich mit Mistgabeln und füllten den alten Leiterwagen mit dem „kostbaren Gut“. „So ein Mistwetter“, freute sich Dieter Möhring, stellvertretender Vereinsvorsitzender, denn es war knackig kalt und trocken, so hielt sich die Geruchsbelästigung in Grenzen. W07_Lehmen-03528Nach getanem Werk setzte sich der Tross aus Razejunge, Ehrenrazejunge (und -frau), Prominenz aus Politik und Wirtschaft, die vier Weinmajestäten von Kobern-Gondorf, sowie Schülerinnen, Schüler und Lehrer der ortsansässigen Sankt Georg Grundschule in Bewegung. Ihr Ziel war der Wingert „Lehmener Würzlay“, ihre Aufgabe das Düngen der Weinstöcke mit Stallmist. Es ist ein alter Lehmener Brauch, den die Razejunge, ein Verein zur Förderung des traditionellen Weinbaus der Terrassenmosel, seit vielen Jahren pflegen. Zirka alle vier Jahre halten sie die Tradition aufrecht, tragen dann mit historisch nachempfundenen, selbstgebauten „Razen“ (Körbe aus Haselnussstöcken) den Mist in den steilen Weinberg. An den Weinstöcken wird der Korb entleert und der Dünger untergegraben, eine mühevolle Arbeit. Mit ihrem Tun erinnern die Razejunge an ihre Vorfahren. Als Bruchsteinmaurer fanden nicht alle Arbeit, zogen aus um woanders den Unterhalt für die Familie zu verdienen. Zur Winterzeit kehrten sie in ihren Heimatort zurück, zunächst ohne Verdienstmöglichkeiten. Zusätzliche Arbeit fanden sie in den Weinbergen, wo sie mit der „Raz“ den Dünger in den Wingert trugen. Als Mistträger im Weingarten der Kirche wurden die Razejunge erstmalig 1784 im Kirchenbuch der „Ober Pfarrkirche zu Lehmen“ urkundlich erwähnt. Die anstrengende Arbeit wurde so zum Winterberuf und zusätzlicher Einnahmequelle für Lehmener Jungen und Männer. Über die Historie der Lehmer Razejunge, die von den Winzern der Nachbarorte von Hatzenport bis Winningen gerne unter Lohn genommen wurden, erzählte Willi Unschuld am malerischen Platz unter den steilen Hängen des Weinbergs. Das Misttragen war bei den Winzern außerhalb von Lehmen verpönt. Der Lohn war mehr schlecht als recht,W07_Lehmen-03549 versetzte die Razejunge aber in die Lage, die Sankt Kastor Kirmes Ende Januar/Anfang Februar feiern zu können. „Der Stundenlohn lag damals bei nur 15 Pfennig für Schuljungen, 25 Pfennig für Jugendliche und 40 Pfennig für Erwachsene“, berichtete Willi Unschuld. Ohne Lohn – nur der Tradition verpflichtet – drängten sich an diesem Tag die Freiwilligen zum Misttragen. Auch die Kleinsten hatten ihren Spaß, niemand hatte angesichts des Materials „Mist“ ein Problem, keine Nase wurde gerümpft. Nach ein paar Stunden war das Werk vollendet. Der Lohn war ein gemeinsames deftiges Wingertessen im Feuerwehrhaus, bei dem ein reger Erfahrungsaustausch über das Tragen von Mist stattfand.     EP